Article
French
ID: <
10.4000/allemagne.1622>
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DOI: <
10.4000/allemagne.1622>
Abstract
Im Sommer 2015 wird in der deutschen Presse, parallel zur aktuellen Berichterstattung über die Ankunft in Europa Tausender Flüchtlinge, auf als vergleichbar dargestellte historische Präzedenzfälle zurückgegriffen. Unter anderem Vertriebene, DDR-Flüchtlinge, Gastarbeiter bilden durch eine explizite Serialisierung eine Genealogie der Migrationen, welche Deutschland geprägt haben sollen. Dadurch findet in der Presse ein „collective-memory setting“ statt, es wird retrospektiv ein „funktional konstruiertes“ Gedächtnis aktiviert, welches wiederum als Interpretationsmuster der Aktualität eine preskriptive und normative Funktion innehat: Horizont des medial vermittelten Gedächtnisses ist die Aufnahme der Flüchtlinge. Die Genealogie der Migrationen schafft eine positive Identität des heutigen Deutschland als Zufluchtsland, dessen Motto nichts anderes „wir schaffen das“ sein kann. Die Journalisten werden dadurch zu Akteuren des öffentichen Lebens und der Politik. Im Herbst 2015 aber endet das „Sommermärchen“; es werden gleichzeitig die Aufnahme von Migranten und die Haltung der Presse diesem Thema gegenüber in Frage gestellt.